Gehrungsschnitt richtig sägen – Anleitung & Tipps
Was ist ein Gehrungsschnitt?
Ein Gehrungsschnitt ist ein schräger Schnitt am Werkstückende, mit dem du zwei Teile in einem definierten Winkel bündig zusammenfügst. Anders als bei der stumpfen Stoßfuge treffen sich bei der Gehrung die Schnittflächen an der Kante, sodass die Faserenden verdeckt bleiben. Das ergibt eine saubere, optisch durchgehende Kante – perfekt für sichtbare Ecken. Die häufigste Anwendung ist der 45°‑Schnitt für eine 90°‑Ecke, doch du kannst jeden Winkel herstellen: für spitze, stumpfe und unregelmäßige Ecken.
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Gehrungswinkel und Eckwinkel: Der Gehrungswinkel ist der Sägewinkel relativ zur Werkstückkante; der Eckwinkel ist der Winkel der Ecke im Raum. Für zwei gleich breite Teile in einer 90°‑Ecke halbierst du den Eckwinkel – also je 45°. Bei anderen Ecken gilt: je Eckwinkel messen, Gehrungswinkel pro Teil bestimmen; dazu mehr im Kapitel „Winkel berechnen und übertragen“.
Gehrungen gelingen mit Handsäge und Gehrungslade, mit Stich‑ oder Handkreissäge samt Führungsschiene, oder am komfortabelsten mit der Kapp‑ und Gehrungssäge (kurz: Kappsäge/Gehrungssäge). Je präziser das Werkzeug, desto einfacher werden glatte, spaltfreie Fugen – aber auch mit einfachen Mitteln erreichst du sehr gute Ergebnisse, wenn du sauber misst, markierst und fixierst.
Wann Gehrung verwenden?
Du nutzt Gehrungen überall dort, wo eine aufgeräumte, umlaufende Kante und ein harmonisches Fugenbild gefragt sind. Bilderrahmen, Sockelleisten, Zierleisten, Deckleisten, Rahmen von Möbelfronten, Kantenverkleidungen an Platten, Abdeckleisten um Türen und Fenster – alles Klassiker. Bei furnierten oder lackierten Teilen macht die Gehrung den Unterschied: Das Furnier „läuft“ optisch um die Ecke, statt eine stumpfe Kante zu zeigen. Auch bei Metallprofilen (Alu‑U‑Profile) oder Kunststoffleisten ist die Gehrung oft der schnellste Weg zur schönen Ecke.
Es gibt aber Grenzen: Eine reine Leimfuge auf Stirnholz ist nicht besonders tragfähig. Lange Plattengehrungen (z. B. bei Korpussen) solltest du daher mit Splines oder Lamellen verstärken – das erhöht Festigkeit und hilft beim Ausrichten. In Nassräumen, bei stark arbeitendem Vollholz oder sehr langen Leisten ist die Gehrung empfindlicher gegenüber Fugenbildung. Dann lohnt eine alternative Verbindung (z. B. Stoß mit Schattenfuge) oder du arbeitest mit elastischen Füllern.
Eine typische Anwendung ist die „Sockelleisten Gehrung“ an Innen‑ und Außenecken. In Altbauten sind Ecken selten exakt 90°. Hier zahlt sich präzises Messen aus – oder du nutzt für Innenkanten die sogenannte „Kopftechnik“ (Ausarbeiten des Profils statt Gehrung). Für moderne, glatte Leisten bleibt die Gehrung jedoch die erste Wahl, wenn du schnell und sauber fertig werden willst.
Benötigte Werkzeuge und Zubehör
Für gute Gehrungen brauchst du nicht alles – aber das passende Setup spart Nerven. Die folgende kompakte Liste gruppiert die wichtigsten Helfer, aus denen du je nach Projekt auswählst:
- Handsägen und Gehrungslade: Feinsäge/Japansäge, stabile Gehrungslade oder verstellbare Lehre
- Maschinen: Stichsäge (feines Blatt), Handkreissäge mit Führungsschiene, Kappsäge/Gehrungssäge
- Mess‑ und Markierwerkzeuge: Bleistift, Anreißmesser, Anschlagwinkel, Gehrungsschmiege, digitaler Winkelmesser/Smartphone‑App
- Fixieren & Anschläge: Zwingen, Klebeband (Malerband), Anschlagklotz, Opferholz/Rückhalteleiste
- Sägeblätter: Feinzahnblätter für Holz/MDF, negatives Spanwinkel‑Blatt für beschichtete Platten
- Schleif‑ und Finishbedarf: Schleifklotz, Papiere 120–320, Holzfüller/Acryl, Lack/Öl
- Verbindungshilfen: Holzleim (D3/D4 je nach Einsatz), Lamellofräse, Spline‑Schlitten
- Sicherheit: Schutzbrille, Gehörschutz, Handschuhe/Fingerschutz, Staubabsaugung
Entscheidend sind scharfe, zur Aufgabe passende Blätter und stabiles Fixieren. Ein feines Blatt (z. B. 60–80 Zähne bei 216–260 mm Kappsäge) minimiert Ausrisse. Eine Führungsschiene macht lange Schnitte gerade und wiederholbar. Und: Zwingen retten Gehrungen – frei‑Hand ist ein Rezept für Maß‑ und Winkelabweichungen.
Winkel berechnen und übertragen
Der Schlüssel zur perfekten Gehrung ist der richtige Gehrungswinkel. Bei zwei identischen Werkstücken halbierst du den Eckwinkel: 90°‑Ecke → 45°/45°, 88°‑Ecke → 44°/44°. Miss den Eckwinkel mit einer Gehrungsschmiege oder einem digitalen Winkelmesser direkt an der Wand/Möbelkante. Digitale Geräte zeigen dir oft sofort die Gehrungshälfte; wenn nicht, halbierst du einfach den Messwert.
Bei ungleichen Bauteilbreiten (z. B. wenn eine Leiste auf der anderen aufliegt) ist die Sache komplexer, weil die Sichtfuge sonst „wandert“. Als Faustregel: Zeichne dir die Situation im Maßstab an, oder halte die Werkstücke an der Ecke an und markiere die Überdeckung. Das „Anreißen“ direkt am Objekt ist oft schneller und genauer als winklige Rechnerei. Für Sockelleisten mit Profil empfiehlt sich die Innenkanten‑Kopftechnik, aber bei glatten Leisten bleibt die Gehrung mit halbiertem Winkel die saubere Lösung.
So gehst du vor:
- Eckwinkel messen: Innen‑ und Außenkanten können voneinander abweichen. Miss beides, wenn die Leisten oben/unten unterschiedliche Anlage haben.
- Gehrungswinkel bestimmen: Eckwinkel durch zwei teilen. Bei Kappsägen stellst du den Miter‑Winkel auf diesen Wert ein. Bei Handkreissägen stellst du die Grundplatte auf 45° (oder deinen Wert) gegen die Schiene.
- Winkel übertragen: Zeichne mit Anschlagwinkel und Schmiege eine feine Markierung auf die Sichtseite. Nutze ein Anreißmesser für scharfe Linien, vor allem bei furnierten Oberflächen. Markiere das Abfall‑Dreieck, damit du weißt, wo Material wegkommt.
Fallbeispiel: Unsaubere Altbau‑Ecke mit 92°. Du misst 92°, halbierst auf 46° pro Stück. Teste an zwei Reststücken eine Probeschnitt‑Gehrung. Liegt die Fuge am Vorder‑ oder Hinterrand offen, korrigiere um 0,2–0,5°. Wiederhole, bis die Fuge über die ganze Länge satt schließt. Erst dann gehst du an deine eigentlichen Werkstücke. So sparst du Material, Zeit und Nerven.
Schritt‑für‑Schritt: Gehrung sägen
Vorbereitung: Material, Lagerung, Markieren
Schritt 1: Material akklimatisieren. Leisten und Platten mindestens 24 Stunden im Raum lagern, in dem sie verbaut werden. So minimierst du Verzug und Fugenbildung. Prüfe Sicht‑ und Rückseiten, kennzeichne die Sichtseite mit einem Pfeil.
Schritt 2: Referenz festlegen. Markiere eine „Face‑Side“ (Sicht) und eine „Face‑Edge“ (Anlagekante). Alle Messungen und Einstellungen beziehst du auf diese Referenzen. So vermeidest du Kumulationsfehler bei Serien.
Schritt 3: Exakte Länge bestimmen. Miss die Netto‑Länge am Objekt. Für Innengehrungen definierst du die „kurze“ Kante, für Außengehrungen die „lange“ Kante. Trage die Linie mit der Schmiege auf und markiere das Abfall‑Dreieck.
Schritt 4: Test‑Setup. Prüfe an Reststücken die Winkeleinstellung deiner Säge. Schneide zwei Proben mit deiner Zielgehrung, lege sie aneinander und begutachte die Fuge gegen das Licht. Korrigiere in feinen Schritten, bis die Fuge „schmatzt“ – also satt ohne Spalt schließt.
Schritt 5: Ausriss vermeiden. Klebe Malerband über die Schnittlinie, setze ein Opferholz an die Austrittskante oder nutze Zero‑clearance (mehr dazu im Extra‑Tipp). Ein scharfes Feinzahnblatt ist Pflicht.
Schritt 6: Fixieren. Richte das Werkstück plan auf die Auflage und fixiere es mit Zwingen oder dem Niederhalter. Jede Bewegung während des Schnitts ruiniert die Gehrung. Lieber 30 Sekunden klemmen als 30 Minuten nacharbeiten.
Schritt 7: Sicherheit. Schutzbrille und Gehörschutz anlegen, Staubabsaugung anschließen. Hände aus dem Gefahrenbereich, Rückschlagzonen frei halten. Eine aufgeräumte Werkbank ist mehr als Ordnung – sie ist Sicherheit.
Gehrung mit Handsäge und Gehrungslade
Schritt 1: Gehrungslade prüfen. Lege einen Anschlagwinkel an die 45°‑Führung der Lade; stimmt sie nicht exakt, justiere oder ersetze die Lade. Eine präzise Lade ist das Herzstück der Hand‑Gehrung.
Schritt 2: Werkstück einlegen und zwingen. Die Sichtseite zeigt nach oben. Lege ein Opferholz direkt hinter die Austrittskante, um Ausrisse zu vermeiden. Fixiere das Werkstück gegen die Lade.
Schritt 3: Schnitt ansetzen. Setze die Feinsäge mit minimalem Druck auf der Abfallseite an. Ziehe ein paar sanfte Züge zur Kerbung (bei Japansäge nur Zug), dann gleichmäßig sägen. Führe die Säge über die gesamte Zahnung und halte sie rechtwinklig zur Lade, damit die Gehrung über die Materialdicke plan bleibt.
Schritt 4: Finish. Schneide knapp am Riss, sodass du die Linie noch stehen lässt. Mit einem feinen Blockhobel oder einem Schleifklotz (220er) „küsst“ du dich auf Maß. Probiere die Fuge, korrigiere bei Bedarf mit zwei, drei Hieben – nie gleich zu viel abnehmen.
Schritt 5: Serien identisch herstellen. Nutze einen Anschlagklotz an der Lade, damit alle Leisten exakt gleich lang werden. Kontrolliere regelmäßig mit dem Musterstück, um Maßdrift zu vermeiden.
Gehrung mit Stichsäge und NanoBlade
Schritt 1: Blattwahl und Einstellung. Verwende ein feines Holzblatt (hohe TPI), Pendelhub aus, hohe Schnittfrequenz, sauberes Führungssohlen‑Gleiten sicherstellen. NanoBlade‑Systeme bieten zusätzliche Laufruhe – ideal für gerade, ausrissarme Schnitte.
Schritt 2: Führung schaffen. Führe die Stichsäge an einer Anschlagleiste oder einer Führungsschiene (mit passender Adaptersohle), damit die Kante wirklich gerade wird. Klebe Malerband über die Schnittlinie, um Ausrisse zu minimieren.
Schritt 3: Schnitttiefe und Anlauf. Stelle die Grundplatte auf deinen Gehrungswinkel und kontrolliere ihn mit dem Anschlagwinkel. Setze die Sohle vollständig auf, starte die Säge mit der Sohle an der Leiste, nicht im Freihand‑Anlauf. Halte gleichmäßigen Vorschub – zu hoher Druck erzeugt Verlauf und Wärme.
Schritt 4: Feinjustage. Schneide leicht auf „Plus“ (ein Hauch Material stehen lassen). Korrigiere auf Maß mit Schleifklotz auf einer ebenen Unterlage oder mit einem feinen Hobel über eine Gehrungs‑Shooting‑Board‑Hilfe. Stichsäge‑Gehrungen profitieren stark von dieser Nachbearbeitung.
Schritt 5: Kontrolle. Lege die zwei Teile zusammen, prüfe die Fuge. Bei kleinen Spalten hilft ein Hauch Holzfüller oder farblich passendes Acryl – besonders bei Sockelleisten in Weiß.
Handkreissäge und Führungsschiene
Schritt 1: Schiene vorbereiten. Kontrolliere den Schienensplint (Splinterguard). Ist er ausgedünnt, schneide ihn neu an. Das erzeugt eine Zero‑clearance‑Kante direkt an der Schnittlinie.
Schritt 2: Winkel kalibrieren. Stelle die Grundplatte auf den Zielwinkel und prüfe mit einem verlässlichen Anschlagwinkel oder digital. Viele Sägen zeigen bei 45° kleine Abweichungen – kalibriere ein Mal gründlich, das zahlt sich aus.
Schritt 3: Maschine einstellen. Sägeblatt passend wählen (Feinzahn, saubere Spanwinkel). Schnitttiefe knapp über Materialstärke einstellen – das reduziert Ausriss und Rückschlaggefahr.
Schritt 4: Werkstück und Schiene fixieren. Zwinge die Schiene an die Markierung. Unterlege das Werkstück vollflächig (z. B. Schaumplatte), damit der Abschnitt nicht abkippt. Eine Rückhalteleiste direkt hinter der Austrittskante minimiert Ausriss.
Schritt 5: Vorschub und Schnitt. Fahre die Säge ruhig an, lasse sie auf Drehzahl kommen, dann gleichmäßiger Vorschub. Für kritische Oberflächen hilft ein leichter Vorritzschnitt (1–2 mm Tiefe), danach Hauptschnitt.
Schritt 6: Ergebnis prüfen. Fuge testen, bei Bedarf minimal nachschleifen. Für Serien: nutze Anschläge an der Werkbank und stoppe mit Wiederholgenauigkeit, damit alle Teile maßgleich werden.
Kapp‑ und Gehrungssäge richtig einstellen
Schritt 1: Grundkalibrierung. Prüfe, ob 0° (Quer) und 45° (Gehrung) stimmen. Schneide zwei Leisten auf 45°, lege sie zu einem 90°‑Winkel und prüfe mit dem Anschlagwinkel. Justiere Anschlag, Skalen und Zeiger nach Herstelleranleitung. Einmalig korrekt eingestellt, ist die Kappsäge dein Präzisionswerkzeug.
Schritt 2: Blattwahl und Zero‑clearance. Montiere ein feines Blatt. Ersetze die Einlage im Sägetisch durch eine Zero‑clearance‑Einlage oder klebe Malerband über die Schnittfuge. Das Stützt die Fasern beim Austritt.
Schritt 3: Auflage und Niederhalter. Lange Leisten benötigen links und rechts Unterstützung, damit sie plan aufliegen. Nutze den Niederhalter, damit das Werkstück nicht hochzieht. Hände sicher, Druck Richtung Anschlag – nicht zum Blatt.
Schritt 4: Anriss anlegen und Sichtseite führen. Richte den Schnitt so aus, dass die schöne Seite zur Anschlagseite zeigt, wenn das Blatt dort am ruhigsten sägt. Teste bei deiner Maschine, welcher Sägewinkel die bessere Kante ergibt.
Schritt 5: Sägebewegung. Starte die Säge, warte auf Drehzahl, senke gleichmäßig ab, halte das Blatt nach dem Schnitt einen Moment unten, bis es steht – das reduziert das „Hochreißen“ von Fasern am Austritt.
Schritt 6: Feinkorrektur. Bei minimalen Fugen: Entgrate mit 320er Papier auf einer planen Leiste. Bei Winkelfehlern: feine Korrektur von 0,2° und erneuter Test. Für Serien: richte einen Anschlagblock ein, prüfe regelmäßig gegen ein Musterstück.
Nachbearbeitung: Schleifen, Füllen, Lackieren
Nach dem Sägen kommt die Feinarbeit. Eine spaltfreie Gehrung ist die Kombination aus präzisem Schnitt und kluger Nachbearbeitung. Beginne mit einem leichten Planschliff der Schnittfläche per Schleifklotz (180–220er), immer flächig, niemals „rund“ schleifen. Winzige Fasern oder Mikrorisse verschwinden so, ohne den Winkel zu verändern.
Beim Verleimen hilft die „Tape‑Hinge“-Methode: Lege zwei Gehrungsseiten außen aneinander, klebe Malerband entlang der Außenkante, klappe auf, Leim auftragen, zurückklappen, straff ziehen. Mit einem Bandspanner oder Umreifungsband hältst du den Druck gleichmäßig. Überschüssigen Leim nach ein paar Minuten mit einem leicht feuchten Tuch abnehmen, ohne die Fuge auszuwaschen. Für lange Kantenleimer (z. B. Platten auf Gehrung) bewährt sich ein gleichmäßiger Druck über die gesamte Länge, notfalls mit geformten Zulagen.
Kleine Fugen füllst du bei Holz mit einem farblich passenden Holzfüller oder mahlt feinen Schleifstaub deines Materials und mischst ihn mit einem Tropfen Leim – das ergibt eine sehr homogene Fuge. Bei lackierten, weißen Sockelleisten ist Acryl die flexible Lösung, vor allem an lebenden Altbauwänden. Nach dem Trocknen fein verschleifen (240–320er) und die Kanten lackieren/ölen. Bei furnierten Flächen lackierst du möglichst vor dem Verleimen die Innenseiten, um Blitzer zu vermeiden. Letzter Schritt: Sorgfältige Endkontrolle im Streiflicht – so erkennst du jede Unebenheit, bevor sie dauerhaft versiegelt ist.
Typische Fehler und wie du sie vermeidest
- Ungenau gemessene Ecke: Miss mit Schmiege oder digital, halbiere korrekt, mache Probeschnitte. Nie „auf gut Glück“ 45° sägen – echte Wände haben selten perfekte 90°. Eine Testgehrung spart Ärger.
- Falsche Bezugskante: Definiere Face‑Side/Edge und nutze sie durchgehend. Unterschiedliche Bezüge erzeugen kumulierte Winkel‑ und Längenfehler.
- Dulles Blatt/Ausriss: Feinzahnblatt nutzen, Zero‑clearance, Rückhalteleiste, Klebeband über der Linie. Blatt rechtzeitig wechseln – scharf ist gleich sauber.
- Werkstück nicht fixiert: Verrutschen = krumme Gehrung. Immer zwingen/Niederhalter einsetzen, besonders bei Stich‑ und Handkreissägen.
- Falsche Länge (kurze/long side vertauscht): Markiere „kurz/lang“ auf der Sichtseite und das Abfall‑Dreieck. Vor dem Schnitt einmal „trocken“ prüfen.
- Säge falsch kalibriert: Kappsäge und Kreissäge regelmäßig justieren. Kleinste Abweichungen addieren sich bei Rahmen auf große Fugen.
- Serienstreuung: Mit Musterstück und Anschlag arbeiten, regelmäßig gegenprüfen. Maß nicht vom vorigen Teil übernehmen, sondern vom Muster.
- Keine Materialakklimatisierung: Holz arbeitet. Vor Montage lagern, danach elastische Füller dort nutzen, wo Bewegung wahrscheinlich ist (z. B. Sockelleisten).
Extra-Tipp: Verstärken mit Splines oder Lamellen
Gehrungen an langen Kanten oder bei stark belasteten Bauteilen leben länger mit verdeckter Verstärkung. „Splines Gehrung“ bezeichnet dünne, quer eingelegte Holzfedern, die in schmale Schlitze an der Gehrung geklebt werden. Sie erhöhen die Klebefläche und Scherfestigkeit und dienen als Ausrichtungshilfe beim Verleimen.
So setzt du Splines:
- Nach dem Verleimen oder in zwei separaten Bauteilen fräst du mit einem Sägeblatt oder einer Nutfräse Schlitze senkrecht zur Gehrungsfuge. Die Tiefe sollte ca. ein Drittel der Materialstärke betragen.
- Schneide Splines aus hartem, formstabilem Holz mit paralleler Faser zur längeren Seite. Achte auf dichten Sitz ohne Gewürge – zu stramm presst den Leim raus, zu locker bringt keine Kraftübertragung.
- Verklebe die Splines mit PVA‑Leim, presse leicht, nach dem Trocknen plan abschneiden und bündig schleifen.
Lamellen (Biscuit/Lamello) funktionieren ähnlich, aber mit ovalen Plättchen aus Buche. Der Vorteil: Mit einer Lamellofräse stellst du schnell reproduzierbare Taschen her, die zugleich beim Ausrichten helfen. Vor allem bei langen Kanten (z. B. 45°‑Korpusverbindungen) erleichtern Lamellen das Verpressen ohne Verrutschen. Setze die Taschen so, dass die Lamelle vollständig in der Materialdicke bleibt und die Sichtkante nicht durchschlägt. Bei sehr dünnem Material sind stattdessen Mini‑Splines oder Domino‑Dübel (klein) angesagt.
Wann lohnt das? Immer wenn:
- die Gehrung Last aufnehmen muss (z. B. Möbelkorpus),
- das Material dünn oder spröde ist (MDF, furnierte Spanplatte),
- du viel Länge hast und exakte Fluchtung brauchst,
- das Werkstück häufig bewegt wird (Rahmen, Deckel, Boxen).
Extra-Tipp: Zero‑clearance und Rückhalteleiste gegen Ausriss
Ausrisse entstehen, wenn Fasern am Austritt des Sägeblatts nicht unterstützt werden. Zero‑clearance bedeutet, dass direkt neben dem Blatt eine Auflage ohne Spalt sitzt. Damit haben die Fasern keinen Raum zum Ausbrechen.
So erreichst du das:
- Kappsäge: Tausche die Tisch‑Einlage gegen eine selbstgemachte Einlage aus MDF/Sperrholz mit exakt angesägter Schnittfuge. Ergänze eine dünne, angesägte Rückwand am Anschlag – eine „Rückhalteleiste“ –, die den Austritt abstützt.
- Handkreissäge mit Schiene: Der Splinterguard der Schiene liefert Zero‑clearance an der Oberseite; ersetze schadhafte Lippen. Auf der Unterseite hilft Klebeband direkt auf der Schnittlinie oder eine Opferplatte.
- Gehrungslade/Handschnitt: Opferholz direkt hinter die Austrittskante klemmen, Malerband über die Markierung, feine Säge mit hohem Zahn‑Set. Säge das Opferholz mit – so bleibt die Sichtkante scharf.
- Vorritzschnitt: Bei kritischen Beschichtungen (Melamin) zuerst 1–2 mm tief vorritzen (mit Anschlag), danach Hauptschnitt. Geringerer Ausriss, vor allem quer zur Faser.
Zusätzlich: Ein Blatt mit geeignetem Spanwinkel (bei beschichteten Platten oft ein negatives oder neutrales) schneidet „schabender“ und mindert Ausrisse. Saubere Absaugung hält den Schnitt frei, verhindert Hitze und Mikro‑Ausbrüche.
Extra-Tipp: Digitale Winkelmessung für komplexe Profile
Komplexe Zierleisten, Hohlkehlen oder profilierte Sockelleisten sind schwer anzulegen, weil ihre Sichtkante nicht deckungsgleich mit der Wand ist. Digitale Winkelmesser und Smartphone‑Neigungs‑Apps (in Kombination mit einer Schmiege) helfen dir, Innen‑ und Außenwinkel schnell zu erfassen und als Gehrungswinkel an die Säge zu übertragen.
Vorgehen bei Zierleisten:
- Leiste in Montageposition halten (z. B. bei Deckenleisten in „Federlage“ auf der Kappsäge: Leiste liegt so an, wie sie später an Wand/Decke sitzt). Miss den realen Eckwinkel mit einer Schmiege und lies ihn digital aus – oder fixiere die Schmiege und stelle die Säge daran ein.
- Viele digitale Winkelmesser bieten direkt die Halbierungsfunktion. Wenn nicht, halbiere selbst und stelle die Kappsäge exakt auf diesen Wert. Schneide zwei Teststücke in korrekter Lage (Sichtseite, Orientierung!) und prüfe die Fuge. Passe in kleinen Schritten an, bis die Profilkanten harmonisch laufen.
Bei langen Wänden mit Krümmungen arbeitest du besser abschnittsweise und „schummelst“ kleine Abweichungen in unauffällige Bereiche. Digitale Werte geben dir Reproduzierbarkeit; die finale Perfektion entsteht durch Anhalten und Probieren – besonders bei Altbauten und handgeformten Profilen.
Abschließend noch ein Mikro‑Workflow für die „Sockelleisten Gehrung“:
- Miss den Innenwinkel, halbiere, schneide beide Leisten in korrekter Orientierung.
- Probiere trocken, markiere Kontaktpunkte, schleife minimal nach.
- Setze mit wenig Kleber, presse die Fuge zusammen (Tape‑Zug) und dichte eventuelle Mikrofugen mit Acryl – fertig ist die bildsaubere Ecke.
Mit diesen Methoden, sauberen Werkzeugen und etwas Geduld gelingen dir Gehrungen, die nicht nur halten, sondern auch unter kritischem Licht bestehen. Jede saubere Fuge beginnt beim genauen Messen, setzt sich im präzisen Schnitt fort und endet in ruhiger Nacharbeit. So wirst du vom ersten Meter Leiste bis zum anspruchsvollen Rahmen souverän – und deine Ecken sehen aus, als wären sie aus einem Guss.
